Es ist fast nirgends so gemütlich wie im Gestern. Im Gestern weiß man was man hat und man weiß wo zu finden ist. Es gibt keine Überraschungen und man kann sich wunderbar darin einrichten. Das Gute am Gestern ist, dass man es nicht mehr verändern kann und deshalb auch nicht muss. Was gestern passiert ist, ist schon passiert. Ob man will oder nicht. Im Gestern fühlen sich viele wohl und sicher. Deshalb kehren sie auch sprachlich gern dorthin zurück: „Das hätte es früher nicht gegeben.“, ist so ein Satz oder aktueller, mehr als rhetorische Frage: „Wo soll denn das noch hinführen?“. Man weiß nicht wo es hinführt. Das ist das Problem mit dem Morgen. Man weiß nicht sicher was da kommt und wenn man will, dass es besser wird, muss man aufstehen und sich aufmachen es besser machen. Selbst! Das ist im Gestern nicht nötig. Da kann ich mir schöne Erinnerungen bewahren und mich daran festhalten.
Massephase
Im September sah ich Dich zum ersten Mal. Michael sagtest Du am Infocounter, zogst Dich neben mir um und standst dann da; mit braungebrannten Beinen und kleinem Bauch. „Muss was tun.“ sagtest Du und hast gleich angefangen. Trainer Stefan zeigte Dir das Stemmen und Drücken an Seilen und Bänken. Von da an sah ich Dich bald mehrmals die Woche. Wenn ich gegen Pfunde, Stress und Kalorien kämpfte, versuchtest Du in Masse zu machen. Und jedes Mal wurdest Du mehr. Ohne Euphorie presstest und schobst Du Gewichte Richtung Himmel. In der Kabine ständig weißes Pulver zu weißem Saft schüttelnd, der –wie Du im Gespräch mit anderen erläuterst – stark und Muskeln macht. Jetzt ist es Februar und Du bist ein Mann mit breitem Kreuz und dicker Brust. Auf deinen Schultern haben sich kleine Berge gebildet. Neidische Blicke streifen Deinen Leib, wenn Du das Hemd in der Kabine abstreifst. Stolz bist Du. Fühlst Dich „wie ein neuer Mann“, sagst Du – „aus 30 Prozent Training, 40 Prozent Eiweiß und 30 Prozent Willen.“
Homebrüh
Saft der braunen Bohne. Was einst der große Wagen, ist heute die Aeropress. Ein Koffeinfetisch fließt um. Überall Kapselboutiquen und Milchschaumparties.Bist Du schon drin im Nesspresso Club? Freunde sprechen über Kindercappuccino, Ristretto und Volluto. Brühverfahren teilen die Welt. Trinken wird zweitrangig. Der Weg ist das Ziel und der zum Genuss ist mühevoll und steinig. Melittamann und Bärenmarkes Petz spielen mit dem HB-Männchen Skat im Werbehimmel. Und irgendwo im Jenseits verwaister Elektrogeräte, tröpfelt braune Tränen aus Armeen von Filtermaschinen: Pröt, Pröt.